Von Jetzt auf Glück - Interview mit Nicole Staudinger

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Nicole Staudinger ist sechsfache Bestsellerautorin, Top-Speakerin, TV-Moderatorin und zertifizierte Trainerin. Auf der Bühne und bei Trainings geht es der vielseitigen Unternehmerin immer nur um eins: gestärktes weibliches Selbstbewusstsein für ein selbstsicheres Auftreten. Den Grundstein legte die Kölnerin 2014 mit Schlagfertigkeitsseminaren nur für Frauen – damals wie heute einzigartig. Nachdem sie mit nur 32 Jahren die Diagnose Brustkrebs erhielt, schrieb die zweifache Mutter über den Kampf gegen den Krebs ihren ersten Bestseller „Brüste umständehalber abzugeben“. Seitdem beschäftigt sich die Trainerin intensiv mit Resilienz und bereitet Frauen in Führungs-positionen auf den Umgang mit Krisen vor.

 

Du bist mit 32 Jahren selbst an Brustkrebs erkrankt. Wie hast du den Krebs entdeckt und wie war das damals für dich, als du deine Krebsdiagnose erhalten hast?

Ich habe den Knoten unter der Dusche an meinem 32. Geburtstag selbst ertastet. Der Tag der Diagnose war eine Art Kerbe im Holz. Den vergisst du nicht mehr. An ihm lässt sich alles in ein Davor und ein Danach teilen.

 

Wie ging es nach der Diagnose weiter?

Ich wurde in ein zertifiziertes Brustzentrum überwiesen und kam in „den Genuss“ von einer Behandlung nach Leitlinie. Das ist ein großer Luxus bei Brustkrebs! Konkret legen dabei viele Fachleute gemeinsam einen Behandlungsplan fest. Meiner sah wie folgt aus: 16 Mal Chemo, beidseitige Mastektomie (BRCA2), Eierstockentnahme und Bestrahlung.

 

Welche Menschen waren in dieser Zeit deine größte Stütze und haben dir Kraft und Mut gegeben, das alles zu meistern?

Das waren vor allem meine Kinder, meine Mama und mein Ex-Mann. Und auch das tolle medizinische Personal in der Klinik. Sie alle haben mir durch diese schwere Zeit geholfen.

 

Wie hast du es geschafft, als Mutter von zwei kleinen Kindern die Therapie zu meistern?

Naja, man hat ja keine Wahl. Man schafft viel, wenn man muss. Natürlich habe ich die Kinder nicht in meine schlimmsten Ängste eingeweiht, aber ich habe ihnen auch keine falsche Realität vorgegaukelt. Wenn es mir nicht gut ging, habe ich das gesagt. Die Tage, an denen es mir aber gut ging, haben wir genossen wie verrückt! Und das ist bis heute so.

 

Du hast damals während deiner Therapie dann auch an einem look good

feel better Kosmetikseminar teilgenommen; wie bist du darauf aufmerksam geworden?

Meine Breast Care Krankenschwester hat mich in der Klinik darauf aufmerksam gemacht. Ehrlicherweise in einer Phase, in der ich damit eigentlich nichts anfangen konnte. Ich saß in der Aufklärung der Chemotherapie und habe das Plakat eines Kosmetikseminars gesehen. Ich dachte dann noch, wie toll, was es für die Frauen alles gibt. Habe das aber null auf mich bezogen. Die Breast Care Nurse hat mich aber dann einfach angemeldet, ich habe drei Monate später teilgenommen und dafür bin ich ihr unendlich dankbar!

 

Wie hast du das Seminar empfunden und was hat es dir gebracht?

Es war einfach toll! Ich dachte: Wen interessiert das denn jetzt, ob ich einen Lidstrich habe oder nicht? Und ob es mich interessiert hat! Wieder „menschlich“ auszusehen und die Fähigkeit sich in eine „normale“ Frau zu verwandeln, hat so gut getan. Ich hatte einen ganz wundervollen Nachmittag mit so wunderbaren Frauen und es war überhaupt keine traurige Veranstaltung – im Gegenteil! Es hat unglaublich viel zu meinem Wohlbefinden beigetragen. Außerdem habe ich so tolle Frauen kennengelernt, mit denen ich immer noch Kontakt habe. Und das Team von der DKMS LIFE ja auch! :-)

 

Du hast damals auch ein Buch geschrieben „Brüste umständehalber abzugeben – Mein Leben zwischen Kindern, Karriere und Krebs“ – Wie kam es dazu?

Intuition. Das Schreiben war eine reine Intuition. Dass daraus ein Buch entstehen sollte, war nicht der Plan. Es hat mir wirklich sehr geholfen.

 

Wann hast Du dir das erste Mal Gedanken zum Thema Haarausfall gemacht? Wie hast Du Dich dann tatsächlich gefühlt als die Haare ausfielen?

In meinem persönlichen Fall kam der Haarausfall mit dem kleiner Werden des Tumors. Ich wurde neoadjuvant behandelt, heißt, der Tumor bleibt in der Brust und die Chemotherapie findet vor einer OP statt. Dieses Schrumpfen konnte ich fühlen und damit hatte ich den Beweis, dass die Behandlung  wirkt. Der Haarausfall war dann eine logische Konsequenz irgendwie. Ich wartete nicht bis jedes Haar einzeln fiel, ich ließ es abrasieren. Das hatte was mit Selbstbestimmung zu tun.

 

Du hast, wie wir wissen, keinen Haarersatz getragen. Was hat Dich davon abgehalten?

Der Hochsommer, die Wechseljahres-Hitzewallungen und meine wunderschöne Echthaarperücke - das ging nicht zusammen. Auch wenn die Perücke mega aussah, atmungsaktiv war sie nicht. Ich fand so Tücher immer toll, aber ich hatte ein Talent dazu, dass ich damit wie die Witwe Bolte aus Max&Moritz aussah, daher wählte ich dünne Baumwolle Beanis.

Was würdest Du einer Krebspatientin mit auf den Weg geben wollen, wie kann sie sich gegen komische Sprüche oder aufdringliche Blicke verbal am besten zur Wehr setzen?

Schlagfertigkeit ist ja mein Thema und meine Definition dazu kommt ja genau aus der Zeit der Chemotherapie: „Wem gestehe ich es zu, mir wertvolle Lebenszeit mit Ärger vergeuden zu lassen“. Mit dieser Einstellung kommt die Antwort (bitte immer auf den Tonfall achten!) von allein. Im Zweifel reichen ja auch zwei Silben: Ach was?! Du Fuchs!? Oder Husch Husch!

 

Wie hast du es geschafft, trotz dieser schweren Diagnose deinen Optimismus und vor allem deinen Humor zu behalten?

Indem ich mir eingestand, dass ich auch mal traurig und unlustig sein darf! Keiner geht nur lächelnd durch eine solche Zeit. Ich musste das lernen. Und das Zulassen der weniger schönen Gefühle hat den Weg zurück zum Humor erleichtert.

 

Dein aktuelles Buch heißt „Leicht gesagt! Wie wir richtig rüberbringen, was nicht falsch ankommen soll.“ – Worum geht es da genau?

Es geht um das Thema schwierige Kommunikation. Es ist eine Art Leitfaden mit dem Ziel, zukünftig die Angst vor scheinbar schwierigen Gesprächen zu nehmen. Das können Gespräche mit dem Partner oder der Partnerin, ein Konflikt mit der Familie oder Kollegen sein.

 

Nicole Staudinger beim DKMS LIFE Patiententag 2022 in Berlin

 

Du hast anlässlich des DKMS LIFE dreamdays 2022 einen kostenlosen Workshop für Krebspatient:innen gehalten unter dem Titel: „Von jetzt auf Gleich ins Glück“. Was rätst du Kebspatient:innen ganz konkret? Hast du Tipps, wie sie in dieser schwierigen Zeit das Glück nicht aus den Augen verlieren?

Das sind mehrere Faktoren:

  1. Wahrnehmung: In Situationen, in denen man merkt, man kommt nicht mehr heraus, muss man seine eigene Wahrnehmung überprüfen und selber einen Hebel umlegen, etwas zu ändern. Diesen Hebel muss natürlich jeder für sich finden.
  2. Ausweglosigkeit: Für das menschliche Hirn muss die Situation ausweglos sein, damit wir anfangen, neue Möglichkeiten zu erarbeiten. Bei mir war die Erkenntnis darüber der Tag, an dem ich meine Akademie gegründet habe. Ich wollte aktiv werden, bevor mich die Selbstständigkeit in der Pandemie in eine ausweglose Situation bringt.
  3. Basis: Was ist die Basis von Glück? Liebe! Das muss keine körperliche Liebe sein, sondern ALLES, was ihr in eurem Leben liebt! Das Zwitschern der Vögel, der Kaffee mit der besten Freundin, ein gutes Buch und und und.


Vielleicht ist es einfacher am Beispiel eines Baumes. Egal was der Baum „oben“ an äußeren Veränderungen erfährt, z.B. abgebrochene Äste, verlorene Blätter usw.: Solange die Wurzeln stark und tief verankert sind, bildet sich die Krone wieder neu! Solange unsere eigenen Wurzeln aus Liebe, Wahrnehmung und natürlich weiteren persönlichen Parametern bestehen, kann man immer glücklich sein. Sicher funktioniert das nicht jeden Tag, aber die meiste Zeit. Und mein persönlicher Geheimtipp ist außerdem noch Musik.