Interview zum Muttertag – „Ich glaube Mütter sind von Natur aus Kämpfer“ – Karin

Diagnose Brustkrebs als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern

von Anja Lottritz am

Als Karin einen Knoten in ihrer Brust entdeckte, dachte sie zunächst an eine harmlose Schwellung. Ihre Schwester ist Gynäkologin und untersuchte sie zeitnah. Im November folgte die schlechte Nachricht: Es ist Brustkrebs! Karin war zu diesem Zeitpunkt 41 Jahre und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern. Nach der Diagnose wartete sie die ersten Untersuchungen und das Portlegen ab, dann redete sie mit ihren Kindern.
Uns erzählt sie, wie sie ihren Kindern erklärt hat, dass sie krank ist und was ihrer Familie in dieser schwierigen Zeit hilft.

Karin, was waren deine ersten Gedanken nach der Diagnose?

Als alleinerziehende Mama gibt es keine Option, das musst du schaffen!

Wie alt sind deine Kinder und wie gehen sie mit der Erkrankung um?

Mein Sohn ist neun Jahre und meine Tochter sechs Jahre alt. Sie haben beide die Situation bislang sehr gut gemeistert. Durch die Tatsache, dass ich schon immer Vollzeit gearbeitet habe, waren wir schon zuvor ein sehr gutes Team, um die wenige gemeinsame Freizeit gut nutzen zu können. Es hat uns in dieser Situation sehr geholfen, dass sie schon immer einen Ganztagsplatz im Kindergarten bzw. einen Hortplatz nach der Schule hatten.

Sie mussten sich in der ohnehin schon schwierigen Lage nicht plötzlich an eine neue Tagesstruktur gewöhnen und ich konnte Arzttermine absolvieren, insbesondere aber die Chemotherapie wahrnehmen, ohne mir Gedanken zu machen, dass eine Betreuung fehlt.

Du hast dir etwas ausgedacht, damit deine Kinder leichter mit deiner Erkrankung umgehen können, was genau?

Ich habe versucht, soweit wie möglich, jeder Situation auch etwas Gutes oder sogar Fröhliches abzugewinnen und das den Kindern auch zu vermitteln. Zum Beispiel habe ich die beiden (unterstützt durch meine Eltern) so oft es ging früher abgeholt, so dass sie auch ein gutes Gefühl mit der Krankheit verbinden konnten.

Und wir haben uns das „Haare abschneiden“ schön gemacht. Meine Kinder haben mir ganz viele neue Haarschnitte verpasst. Das war ein schöner Moment und sie konnten sich entspannt mit dem Haarverlust anfreunden.

Krebspatientin Karin lässt ihre Kinder ihre Haare abschneiden

Haarverlust war ein besonders Thema bei euch, warum?

Insbesondere am Anfang gab es Ängste, wie Freunde darüber denken, wenn Mama ohne Haare kommt. Da war es gerade meiner Tochter ganz wichtig, dass ich die Perücke trage, wenn ich in den Kindergarten komme. Bis mir das Perückentragen aufgrund des Gesundheitszustandes dann zu anstrengend wurde, hatten die Kinder sich aber längst an die neue Frisur gewöhnt. Im Frühjahr haben wir die Glatze bemalt. Auch das hat die Kinder im Umgang mit der Glatze entspannt.

Krebspatientin Karin hat ihre Glatze bunt bemalen lassen

Wie hast du deinen Kindern erklärt, dass du krank bist bzw. wie redest du jetzt über Krebs mit deinen Kindern?

Ich hatte mir nach der Erstdiagnose circa eineinhalb Wochen Zeit gelassen, die Vielzahl an Untersuchungen und das Portlegen bereits absolviert und war dann selbst so gefestigt, dass ich den Kindern von der Krankheit erzählen konnte, ohne Traurigkeit oder Ängste zu erwecken. Da meine Tochter - damals 5 Jahre - noch relativ klein war, habe ich die Krankheit laienhaft so geschildert, wie ich es mir als Kind vorstellen könnte.

Ich habe ihnen erklärt, dass sich etwas in der Brust befindet, was da dringend heraus muss und dass man es nicht so einfach herausnehmen kann, wie man zum Beispiel bei einem Zahnarzt einen Zahn reparieren kann. Und so habe ich ihnen insbesondere erzählt, was in den nächsten Monaten auf uns zukommt: die negativen Dinge (Haarverlust, Übelkeit, Müdigkeit), aber eben auch die Tatsache, dass ich öfter und insbesondere früher zu Hause sein werde, damit sie gleich auch etwas hatten, worauf sie sich freuen konnten.

Im Rahmen eines psychoonkologischen Gesprächs nach der OP wurde mir die App „Zauberbaum“ empfohlen. Die App wäre unterstützend auch gut gewesen, wenn sie mir zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen wäre

Hat sich die Beziehung zu deinen Kindern seit der Erkrankung verändert?

Tatsächlich würde ich sagen, dass sich unsere Beziehung nicht verändert hat. Wir waren bereits zuvor ein tolles Team und haben auch diese Situation zusammen bis jetzt gut gemeistert.

Wie schaffst du das alles? Hast du ein Netzwerk, dass dich unterstützen kann?

Ich erlebe wunderbare Hilfe durch meine Familie, insbesondere meine Eltern, die immer helfen, wenn Hilfe in welcher Form auch immer benötigt wird. Sie waren unermüdlich im Einsatz, sei es als „Taxifahrer“ zu den vielen, vielen Terminen insbesondere der Chemotherapie, sei es zur Kinderbetreuung aber insbesondere auch als Hilfe im Haushalt, beim Einkaufen (wenn die Blutwerte schlecht sind und man jegliche Ansteckungsgefahr meiden muss), beim Kochen und Waschen.

Gleichzeitig erlebe ich auch (und bin insoweit privilegiert zu anderen) wunderbare Hilfe durch meine Schwester, die gleichzeitig meine Gynäkologin ist.

Gibt es etwas, dass dich in letzter Zeit glücklich gemacht und dir Mut gegeben hat?

Glücklich macht mich einfach jeder Tag mit meiner Familie, natürlich insbesondere mit meinen Kindern und diese Zeit gibt auch den erforderlichen Mut und die Kraft durch diese Zeit durchzugehen.

Auch Zeit für sich selbst, ist sehr wichtig. Was hat das look good feel better Online-Kosmetikseminar von DKMS LIFE bei dir ausgelöst?

Das Seminar war eine wunderbare Abwechslung in dem ansonsten eher einsamen gewordenen Alltag, es hat Lust gemacht und motiviert, sich trotz der sichtbaren Einschränkungen „schön zu machen".

Krebspatientin Karin ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern

Hast du einen Tipp für Mütter, die an Krebs erkrankt sind, möchtest du etwas an andere Krebspatient:innen weitergeben?

Ich glaube Mütter sind von Natur aus Kämpfer, sie versuchen bereits ohne Krankheit alles unter einen Hut zu bringen (Arbeit, Familie, Freizeit). Gleichzeitig hat man als Mutter den unbedingten Willen, seine Kinder beim Aufwachsen zuzusehen und sie zu begleiten und dieser Wille gibt bereits unwahrscheinlich Kraft. Wenn man mit etwas mehr Gelassenheit und etwas weniger Perfektion in diese Zeit hineingeht und es schafft, Zufriedenheit zu finden in dem, was man noch bewerkstelligen kann, und sich nicht verrückt zu machen mit dem Gedanken was man gesund hätte alles bewerkstelligen können, dann kann man die Zeit gut schaffen.

Nötig ist dafür aber auch, dass man Hilfe bekommt und annimmt. Ich würde allen Müttern raten, sich so viel abnehmen zu lassen wie die familiäre / freundschaftliche Situation dies zulässt, ohne dass andere wiederum überlastet sind. Gleichzeitig hat es gutgetan, so viel Zeit mit den Kindern verbringen zu können wie möglich, um ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben zu können und gleichzeitig für sich ein Stück Normalität zu bewahren und zu sehen, dass man das noch leisten kann.

Was wünscht du dir für dich ganz persönlich neben der Genesung? Hast du einen Traum, den du dir erfüllen möchtest?

Letztlich wünsche ich mir und den Kindern schnellstmöglich wieder ein unbeschwertes Leben ermöglichen zu können. Langfristig wünsche ich mir persönlich, dass ich schnell wieder als Staatsanwältin arbeiten kann und dass wir drei, nachdem wir uns nach der Trennung und der Krankheit neu aufgestellt haben, eine Fernreise unternehmen können. Wir hatten uns die Reise für 2024 vorgenommen - das ist mein Ziel.

Und was wünscht du dir für deine Kinder?

Dass die Krankheit ihnen keine unausgesprochenen Sorgen mehr bereiten muss und wir uns in ein paar Jahren an diese besondere Zeit positiv zurückerinnern können, weil alles eine gute Wendung genommen hat.

Krebspatientin Karin mit ihren beiden Kindern - DKMS LIFE